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Abschiede und Anfänge

von | Sep. 3, 2025 | Memories | 0 Kommentare

Manche Abschiede fallen mir leichter als andere. Für mein Studium wollte ich immer nach Freiburg. Es war meine Traumstadt. Acht Jahre später habe ich nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als ich mit meinem letzten Koffer zurück ins Elternhaus gefahren bin. Und ich habe Freiburg seitdem nicht vermisst. Ich war bereit für diesen Abschied, bereit für ein neues Kapitel.
Ich habe dort alles gemacht, was ich machen wollte. Ich habe erreicht, was ich erreichen wollte, gesehen, was ich sehen wollte. Ein neues Abenteuer wartete auf mich. Genau wie jetzt. Ein weiterer Umzug steht bevor. Auch wenn es „nur“ zurück nach Deutschland geht, ist es wieder ein Abenteuer. Neue Stadt, neue Menschen, neues Krankenhaus. Ein Teil von mir freut sich darauf. Ich blühe in neuen Situationen auf. Ich liebe Anfänge, die Aufregung, das Erkunden. Ich liebe es, mich einzuleben und neue Menschen kennenzulernen.

Doch diesmal ist da auch ein größerer Teil in mir, der traurig ist. Ein Kloß in der Brust, wenn ich an meinen Flug denke. Ich schiebe die Reisevorbereitungen auf. Und obwohl ich weiß, dass ich jederzeit nach Concepción zurückkehren könnte. Obwohl ich weiß, dass ich noch mein ganzes Leben vor mir habe. Dieser Abschied ist schwer, weil ich noch nicht bereit bin zu gehen. Ich habe gerade erst begonnen, mir hier ein Leben aufzubauen. Ich habe Kontakte geknüpft, die zu den besten Freundschaften werden könnten. Ich glaube zwar daran, dass Freundschaften, wenn sie echt sind, jegliche Distanz überstehen. Das habe ich bereits erlebt. Doch hier fühlt es sich etwas anders an. Meine Freundschaften hier sind jung. Das macht sie nicht weniger echt oder wichtig, aber sie sind noch nicht gefestigt. Ich hätte gern mehr Zeit gehabt um ein stärkeres Fundament zu bauen.

Und nicht nur das. Ich bin auch noch nicht bereit, die Stadt und das Land zu verlassen. Ich habe bei weitem noch nicht alles gesehen, was ich sehen wollte. Noch nicht alles erlebt, was ich erleben wollte. Die Liste der Dinge, für die ich so gerne mehr Zeit gehabt hätte könnte endlos sein. Reisen, Tanzen, Physiotherapie, Spanisch lernen…

Und das Schlimmste: ich wusste von Anfang an, dass meine Zeit hier begrenzt sein würde. Ein paar Monate, nicht mehr. Natürlich gab es zwischendurch die kleine Hoffnung auf eine Verlängerung, aber im Grunde war alles klar. Nichts hätte mich darauf vorbereiten können, dass der Abschied so hart wird. Vielleicht sollte mich das überraschen, denn perfekt war meine Zeit hier nicht. Ich war selten so oft erkältet. Das Praktikum im Krankenhaus war durchwachsen. Es war nicht leicht, Anschluss zu finden in einer neuen Kultur mit nicht perfektem Spanisch. Und trotzdem würde ich es um nichts auf der Welt ändern.

Der Schmerz des Abschieds kommt von dem Gefühl, dass mir etwas genommen wird. Von der Angst, etwas zu verpassen. Die Pläne meiner Freunde für die größte Feier des Landes am 18. September. Der Gedanke an gemeinsame Strandtage im Sommer und all das nicht mitzuerleben schmerzt.

Natürlich weiß ich, dass ich mich auch auf das Positive konzentrieren sollte. Auf die Abenteuer, die vor mir liegen. Auf die Aktivitäten, die mich zuhause erwarten. Auf eine neue Stadt, die es zu erkunden gilt, und die neuen Freundschaften, die entstehen werden. All das klingt in der Theorie logisch. Aber manchmal ist es auch einfach in Ordnung, traurig zu sein.

Traurig zu sein, weil man etwas Wertvolles gefunden hat. Traurig zu sein, weil man noch nicht loslassen möchte… Ich nehme die Erinnerungen mit, die Gespräche, die Begegnungen, die kleinen Routinen meines Alltags hier. Sie werden nicht verschwinden, auch wenn ich bald wieder in Deutschland lebe. Und so schwer es mir auch fällt, weiterzugehen, weiß ich, dass jeder Abschied auch Raum für Neues schafft.

Es bleibt also beides: die Traurigkeit über das, was endet, und die Vorfreude auf das, was kommt. Ein Abschied bedeutet nicht, dass etwas verloren ist. Er bedeutet, dass ich genug Mut habe, ein Kapitel zu schließen und ein neues aufzuschlagen. Und vielleicht ist das genau das Schönste an allen Anfängen.