Lehrjahre sind keine Herrenjahre…

Ich weiß, woher sie kommen, aus einer anderen Generation, andere Bedingungen, ein anderes Leben. Früher musste man sich vieles unter harten Umständen erarbeiten. Das respektiere ich. Und ja, äußere Umstände spielen eine Rolle in unserem Leben. Aber mindestens genauso entscheidend ist unsere innere Haltung, unser Mindset.
Für mich sind solche Sätze wie kleine Zeitkapseln, Überreste von Einstellungen und Glaubensmustern, die früher vielleicht nötig waren, aber heute nicht mehr automatisch gelten müssen. Das gleiche Muster finde ich überall: „Arbeit muss hart sein.“ „Das Medizinstudium muss anstrengend sein.“ Oder dieser Satz, den Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung nur zu gut kennen: „Das baut Charakter. Wir mussten da auch durch. Das ist, was es heißt, Arzt zu sein.“
Aber was, wenn man nicht mehr in dieser Einstellung leben möchte? Was, wenn man nicht akzeptiert, dass Arbeit nur dann „echte“ Arbeit ist, wenn sie mühsam, zermürbend und ohne Freude ist? Warum ist es so schlecht, Spaß an seiner Arbeit haben zu wollen – so viel, dass es sich leicht anfühlt und fast wie von selbst läuft?
Leichtigkeit heißt nicht, dass es nie anstrengend ist. Natürlich gibt es Phasen, in denen etwas schwerfällt, in denen man gefordert wird, in denen man über seine Grenzen geht. Aber wenn der Sinn dahinter stimmt, wenn die Freude und die Begeisterung für das, was man tut, immer wieder durchscheinen, dann fühlt sich selbst harte Arbeit anders an. Dann baut nicht nur die Arbeit „Charakter“ – sondern sie baut auch Lebensfreude.
Ich glaube, wir dürfen solche alten Glaubenssätze hinterfragen. Wir dürfen sagen: „Ja, ihr habt das so erlebt aber ich möchte meinen Weg anders gestalten.“ Wir können Strenge und Disziplin mit Sinn und Freude verbinden. Wir können Leistung bringen, ohne uns kaputtzumachen.
Vielleicht sollten wir uns weniger fragen, wie viel Härte nötig ist, um „würdig“ zu sein und mehr, wie wir arbeiten und lernen können, ohne den Spaß am Leben zu verlieren. Denn am Ende geht es nicht nur darum, wie gut wir etwas können, sondern auch darum, wer wir dabei werden.